Die Freireligiöse Gemeinde Ingelheim
Im Jahr 1849 schlossen sich zahlreiche Familien und Einzelpersonen zu einer „Deutschkatholischen Gemeinde“ zusammen. Die Bezeichnung “ freireligiös „durfte noch nicht benutzt werden.
Der notarielle Akt der Gemeindegründung fand im Juli 1850 statt. Im Jahr 1851 wurde der bis dahin provisorische Ältestenrat (Vorstand) durch einen schriftlich gewählten neuen abgelöst. Im neuen Vorstand war auch Dr. Martin Mohr, Vize-Präsident des hessischen Kreisgerichts, vertreten. Dr. Mohr stammte aus Warmsroth im Hunsrück, wohnte aber seit 1834 in der Stiegelgasse 48 in Ingelheim. Er war bis zu seinem Tod im Jahr 1865 Förderer und tatkräftiger Unterstützer der Gemeinde. Er stellte außerdem für die Gemeinde einen Versammlungsraum zur Verfügung. Ein halbes Jahrhundert wurde dieser Raum in der heutigen Edelgasse benutzt.
»Das Gebäude wurde in den neunziger Jahren abgerissen. Es entstand ein Lagergebäude für das benachbarte Weingut Wasem.«
Eine Weihehalle wird gebaut
So beschloss man 1909, nach der Kündigung des alten Versammlungsraums, eine eigene Erbauungshalle auf dem gemeindeeigenen Grundstück zu bauen. Durch das Vermächtnis des verstorbenen Mitglieds Apotheker Bastian besaß die Gemeinde ein Grundstück im Mühlborn (heute Mühlstraße 41).
Mit dem Bau wurde noch 1909 begonnen. Als Architekt wurde der Wiesbadener Otto Schmidt gewonnen, der eine Weihehalle im damaligen Jugendstil errichtete (s.dazu auch den Artikel von Pia Steinbauer zum 100jährigen Bestehen der Weihehalle in der AZ Ingelheim vom 12.6.2010).
Bei den Ausschachtungsarbeiten auf dem Gelände wurden drei römische leere Sandsteinsärge gefunden. Die zwei am besten erhaltenen wurden ins Röm.-Germanische Zentralmuseum nach Mainz verbracht. Der dritte,mit beschädigtem Deckel, steht seit dieser Zeit im Vorgarten der Weihehalle. »Eine benachbarte Straße gegenüber der Halle heißt heute noch „Am Römergrab“.«
Gemeinde wurde Körperschaft des öffentlichen Rechts
Im November 1923 wurden gemeinsam mit der Freireligiösen Gemeinde Mainz, der Freireligiösen Gemeinde Ober-Ingelheim, die Körperschaftsrechte durch das Hessische Ministerium des Innern verliehen. Die Gemeinde wurde dadurch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.). Der Gemeinde war es u.a. erlaubt, einen anerkannten Religionsunterricht zu erteilen und Kirchensteuern einzuziehen. Dies unterscheidet die Freireligiösen Gemeinden von Sekten, die diese Rechte nicht ausüben dürfen. Das heißt außerdem, die Freireligiösen Gemeinden sind durch die Körperschaftsrechte den beiden großen christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt.
Nach den beiden Weltkriegen, in denen auch über dreißig Gemeindemitglieder als Soldaten ihr Leben verloren, kam das Gemeindeleben nur langsam wieder in Gang. Die Weihehalle blieb zum Glück in beiden Kriegen von Schäden verschont. So konnte dort 1950 zum 100-jährigen Bestehen der Gemeinde eine Festerbauung abgehalten werden.
In der Gemeindeversammlung vom 21.07.1996 wurde eine neue Verfassung beschlossen. Diese löste die „Gemeinsame Verfassung der Gemeinden Mainz und Ingelheim“ aus dem Jahr 1949 ab. Mit Veröffentlichung im“ Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz Nr.13″ vom 28.04.1997, Seite 523, trat die neue Verfassung in Kraft.
Im Jahr 2010 feierte man das hundertjährige Bestehen der Weihehalle (s. auch Artikel von Pia Steinbauer) .
Die Gemeinde heute
Die Gemeinde hat heute etwa 200 Mitglieder in Ingelheim und den Nachbargemeinden im Selztal und der Kreuznacher Gegend. Fünfmal im Jahr finden Feierstunden in der Weihehalle statt, die fast alle von Pfarrer Martin Buchner aus Idar-Oberstein gehalten werden. Pfarrer Buchner betreut die Ingelheimer Gemeinde außerdem auch bei Taufen Hochzeiten und Trauerfeiern (s.dazu auch Feierstundenplan der Gemeinde).
Gemeindevorstand
Der Gemeindevorstand setzt sich z.Z. aus folgenden Mitgliedern zusammen:
Gemeindevorsteher: Otto Schaffer
Stellvertreterin: Simone Statkevicius
Gemeindefinanzen: Wilfried Schnell
Schriftführung:
Beisitzer: Ingelotte Carstens, Harald Siedhoff
Festschrift dokumentiert Gemeindegeschichte
Ausführlich wird die Entstehung der Freireligiösen Gemeinde Ingelheim in der Festschrift von Lehrer Franz Weyell „Die Geschichte der Freireligiösen Gemeinde Ingelheim“ (1970) behandelt. Franz Weyell hat die Festschrift anläßlich des 120jährigen Bestehens der Freireligiösen Gemeinde Ingelheim herausgegeben.